GdB-Tabelle nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)
Schwerbehinderung und Schwerbehindertenausweis
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz 6. Senat
28.02.2024
L 6 SB 90/23
Juris
Maßgeblich für den früheren Behinderungszustand ist die dem zuletzt verbindlich festgestellten Bescheid vom 31.07.2014 (als letzter Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gemäß § 48 SGB X) objektiv zu Grunde liegende Sachlage. Dem so bestimmten früheren Behinderungszustand sind die für die angegriffene Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse gegenüberzustellen. Dabei bestimmt sich die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, der den GdB herabsetzt und der selbst kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, sondern in seiner Wirkung auf die Veränderung der Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt beschränkt ist, nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung der Höhe des Grades der Behinderung (GdB).
Die 1966 geborene Klägerin stellte am 08.07.2014 einen Erst-Antrag auf Feststellung einer Behinderung bei dem Beklagten. Bei ihr bestand ein multifokales Mammakarzinom links der TM-Klassifikation pT2(m), pN0 (0/6), MO, G2 R0. Zur Behandlung erfolgte eine Mastektomie links (mit späterer operativer Rekonstruktion mittels Latissimus-dorsi-Plastik und Implantat) und eine endokrine Therapie mit Tamoxifen. Mit Feststellungsbescheid vom 31.07.2014 stellte der Beklagte einen GdB von 50, wirksam ab dem 08.07.2014, fest.
Nach Ablaufs des Zeitraums der Heilungsbewährung ging der Beklagte nur noch von einem GdB von 20 aus und hörte die Klägerin mit Schreiben vom 04.05.2020 wegen einer beabsichtigten Herabsetzung des GdB an. Mit Bescheid vom 07.08.2020 setzte der Beklagte den GdB auf 20 (für einen Teilverlust der linken Brust) herab. Der Bescheid werde in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er der Klägerin bekannt gegeben werde.
Die Klägerin legte Widerspruch gegen den Bescheid ein. Es sei weiterhin ein GdB von 50 bei ihr festzustellen. Ihre gesundheitliche Situation habe sich sogar verschlechtert. Zwar seien bei ihr bisher keine weiteren Krebszellen festgestellt worden, jedoch leide sie unter vielen anderen Beeinträchtigungen. Sie habe Schmerzen und Bewegungseinschränkungen in der linken Schulter bzw. dem linken Arm, insbesondere bei Belastung. In der rechten Schulter habe sie große Kalkablagerungen und sie leide unter Verspannungen im Nacken und damit einhergehenden Kopfschmerzen. Darüber hinaus leide sie unter massiven Schlafstörungen und damit einhergehenden Angstzuständen. Sie schäme sich wegen ihrer entstellten Brust. Hinzu gekommen sei außerdem ein Fersensporn an beiden Füßen und sie leide unter einer Arthrose in den Fingern. Es werde für sie immer schwerer, ihren beruflichen Aufgaben im Hotel (im Service) nachzukommen. Sie bitte um Beibehaltung des GdB von 50, um sie weiterhin beim Erhalt ihres Arbeitsplatzes zu unterstützen.
Der Beklagte forderte Befundberichte bei dem Nervenarzt Dr. S. vom 30.11.2020, dem Allgemeinmediziner Dr. V. vom 19.12.2020 und dem Orthopäden Dr. K. vom 21.01.2021 an und wertete die eingereichten medizinischen Unterlagen aus (gutachtliche Stellungnahme der Ärztin Dr. D. vom 22.03.2021).
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2021 änderte der Beklagte den Bescheid vom 07.08.2020 dahingehend ab, dass nunmehr ein GdB von 30 (statt nur 20) festgestellt wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Dabei ging der Beklagte im Einzelnen von folgenden Beeinträchtigungen und Einzel-GdB aus:
1. Verlust der linken Brust (30)
2. Psychische Störung (20)
3. Kopfschmerzen (10)
4. Fingergelenksverschleiß (10)
Hierbei seien die Beschwerden im linken Arm und die Nackenschmerzen bereits mitberücksichtigt. Die Schulterbeschwerden beidseits und der Fersensporn beidseits hätten nicht berücksichtigt werden können, da die Gesundheitsstörungen nicht wenigstens einen GdB von 10 bedingten.
Am 16.04.2021 hat die Klägerin am Sozialgericht Mainz (SG) Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, es sei wegen den bei ihr bestehenden Erkrankungen weiterhin ein GdB von zumindest 50 gerechtfertigt, so dass der Bescheid aufzuheben sei. Für den Bereich „Nervensystem/Psyche“ sei ein Einzel-GdB von 30-40 statt nur 20 anzusetzen. Sie leide seit der Mammakarzinom-Diagnose im Jahr 2014 unter starken Ängsten vor einem Rezidiv. Es seien eine anhaltende depressive Episode, starke Konzentrationsstörungen sowie Ein- und Durchschlafstörungen ärztlich bestätigt worden. Bezüglich der „Oberen Extremitäten“ sei der Fingergelenkverschleiß mit einem Einzel-GdB von 10 zu niedrig beziffert. Tatsächlich sei diese Einschränkung mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Sie leide an einer Heberden-Arthrose an beiden Händen. Es liege eine Schwellung der Fingergelenke und eine eingeschränkte Streckfähigkeit vor. Sie könne Gegenstände oftmals nicht richtig festhalten, was sich insbesondere bei ihrer Arbeit im Hotel-Service auswirke. Für das „Hüftgelenk“ sei ein Einzel-GdB von mindestens 10 anzusetzen. Sie leide unter einer endgradigen Hüftfunktionseinschränkung links und es liege eine deutliche ISG-Arthrose links sowie eine Degeneration in den Hauptbelastungszonen beider Hüftgelenke vor. Die Kopfschmerzen seien mit einem Einzel-GdB von 10 zutreffend bewertet. Demgegenüber sei der Einzel-GdB von 30 für den Bereich „Weibliche Geschlechtsorgane/Verlust der linken Brust“ viel zu gering bemessen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch die erheblichen Armbeschwerden nach der Brustoperation inbegriffen sein sollen. Sie leide unter erheblichen Schulterschmerzen rechts mit einer Bewegungseinschränkung, ausgelöst durch eine Tendinitis calcarea. Mittlerweile sei auch die linke Schulter betroffen. Schon für die Einschränkungen an den Schultern sehe die GdB-Tabelle einen Einzel-GdB von mindestens 20 vor. Hinzu komme noch der Verlust der linken Brust mit einem Einzel-GdB von 30. Des Weiteren sei zu kritisieren, dass zur Prüfung, ob eine Heilungsbewährung eingetreten sei, die behandelnde Frauenärztin nicht angeschrieben worden sei.
Das SG hat Befundberichte angefordert bei dem Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Dr. S. vom 29.07.2021, der Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe L. vom 05.08.2021 und dem Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. K. vom 12.08.2021.
Nach Auswertung der übersandten Befundberichte (gutachterliche Stellungnahme der Ärztin Dr. C. vom 22.09.2021) hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 01.10.2021 ein Teil-Anerkenntnis abgegeben und erklärt, den streitgegenständlichen Bescheid zu ändern und mit Wirkung ab dem 13.08.2020 (Bekanntgabe des Bescheids) einen Gesamt-GdB von 40 festzustellen. Hierbei ist der Beklagte von einem Einzel-GdB von 30 für die „Psychische Störung“, einem Einzel-GdB von 30 für den „Verlust der linken Brust“, einem Einzel-GdB von 10 für die „Kopfschmerzen“ und einem Einzel-GdB von 10 für die „Oberen Extremitäten“ (sich zusammensetzend aus Einzel-GdB für den Fingergelenkverschleiß und für die Schultergelenksfunktionsstörung von jeweils 10) ausgegangen.
Die Klägerin hat dies nicht als ausreichend angesehen und hat weiterhin die Beibehaltung eines GdB von 50 geltend gemacht. Eine Besserung liege nicht vor. Es seien sogar weitere Leiden hinzugekommen.
Das SG hat zur weiteren Abklärung ein Sachverständigengutachten bei dem Nervenarzt, Facharzt für Neurologie Dr. W. in Auftrag gegeben. Dieser hat in seinem Gutachten vom 09.03.2022 nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 08.03.2022 die Einschätzung des GdB mit insgesamt 40 für zutreffend erachtet. Der Gutachter hat zur Begründung ausgeführt, der GdB von 30 für den Verlust der linken Brust entspreche dem oberen Wert nach einseitiger Mastektomie. Lymphogen bedingte Armbeschwerden seien hierbei berücksichtigt worden. Besondere Komplikationen seien bei der Klägerin nicht feststellbar. Der GdB von 30 für den Bereich der Psyche werde derzeit nicht mehr voll ausgefüllt, eine Höherbewertung habe in keinem Fall zu erfolgen. Es habe bei der Untersuchung keine höhergradige depressive Störung bei der Klägerin festgestellt werden können. Kopfschmerzen seien von der Klägerin nicht angegeben worden. Sie könnten in Teilen aber Ausdruck von Spannungskopfschmerzen, auch bei Schulterproblemen, sein. Ein GdB von mehr als 10 sei hier nicht anzusetzen. Für die oberen Extremitäten sei ein GdB von 10 zutreffend. Es bestünde ein Fingergelenkverschleiß in Form von Heberdenarthrosen und ein Schultergelenkverschleiß. Durch die Operation und die Behandlung der Erkrankung habe jedoch ein gutes funktionelles Ergebnis erreicht werden können. Bewegungseinschränkungen in den Schultergelenken seien bei der aktuellen Begutachtung nicht feststellbar gewesen, so dass der GdB von 10 als zutreffend bewertet zu bezeichnen sei. Im Bereich der unteren Extremitäten bestünden degenerative Veränderungen in Form einer Coxalgie und einer leichten Hüftgelenkdysplasie. Funktional hätten sich keine Einschränkungen ergeben, so dass der GdB mit unter 10 zu bewerten sei. Zusammenfassend liege bei der Klägerin eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, wie sie dem Bescheid vom 17.07.2014 zu Grunde lagen, vor und der Gesamt-GdB sei mit nur noch 40 anzugeben.
Zu der von der Klägerin zunächst angekündigten Beantragung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kam es nicht. Die Klägerin hat aber an ihrem Begehren festgehalten und vorgetragen, seit der Gutachtenerstellung habe sich ihr Gesundheitszustand nochmals signifikant verschlechtert. Wegen einer Gewebeveränderung seien ihr die Eierstöcke operativ entfernt worden. Sie leide seither an einem Hormonverlust. Wegen der früheren Brustkrebserkrankung könne dieser Hormonverlust nicht substituiert werden. Sie leide unter ausgeprägten Schlafstörungen und es falle ihr immer schwerer, ihre Arbeit zu erbringen und die alltäglichen Aufgaben zu erledigen. Sie habe außerdem ständig Schmerzen und durch die Einnahme von Schlafmitteln und Schmerzmitteln habe sie nunmehr auch Magen- und Verdauungsprobleme und es sei ihr immer wieder schwindelig.
Das SG hat aktuelle Befundberichte bei der Gynäkologin L. vom 22.09.2022, bei dem Gynäkologen Dr. S. von der R. GmbH vom 29.09.2022 und bei dem Allgemeinmediziner Dr. V. vom 19.11.2022 beigezogen.
Nach Prüfung der vorgelegten Befundberichte (gutachterliche Stellungnahme der Ärztin Dr. C. vom 14.12.2022) hat der Beklagte mitgeteilt, an seiner bisherigen, Einschätzung des Gesamt-GdB mit 40 festzuhalten. Zwar sei für den Verlust beider Eierstöcke ein zusätzlicher Einzel-GdB von 10 anzunehmen, dieser wirke sich aber nicht erhöhend aus. Für den Bereich der „Weiblichen Geschlechtsorgane“ werde der Einzel-GdB weiterhin mit 30 angenommen.
Das SG hat bei Dr. W. eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme angefordert. Dieser hat am 12.03.2023 festgestellt, dass die weiteren nunmehr geltend gemachten Gesundheitsstörungen, insbesondere der Verlust der Eierstöcke, nicht zu einem höheren Gesamt-GdB führten. Hinsichtlich der Bewertung der psychischen Störung bei der Klägerin hat er einen jetzt „voll ausgefüllten“ GdB von 30 statt eines „nicht voll ausgefüllten“ GdB von 30 angenommen. Es sei nach der Begutachtung durch ihn zu einer Verschlechterung gekommen.
Die Klägerin hat den Einzel-GdB von 30 für den Bereich der Psyche als weiterhin zu niedrig erachtet. Sie habe Ende 2022 infolge eines Arbeitsplatzkonfliktes einen Nervenzusammenbruch erlitten und sich in ärztliche Behandlung begeben müssen. In der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2023 hat die Klägerin angegeben, ihr bisheriger Therapeut Dr. S. sei seit April 2023 in Rente. Da sie noch keinen neuen Therapeuten gefunden habe, nehme sie derzeit keine Medikation gegen die psychische Störung ein. Die Suche nach einem neuen Therapeuten gestalte sich sehr schwierig.
Die Klägerin hat in der Verhandlung das Teil-Anerkenntnis der Beklagten vom 01.10.2021 angenommen und den Rechtsstreit im Übrigen fortgeführt.
Mit Urteil vom 25.07.2023 hat das SG die über das Teil-Anerkenntnis hinausgehende Klage abgewiesen. Der Beklagte habe den zuvor festgestellten GdB in Höhe von 50 ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 07.08.2020 zu Recht auf 40 herabgesetzt, da die Behinderungen der Klägerin zu diesem Zeitpunkt – und auch bis zum Abschluss des Widerspruchverfahrens im März 2021 – keinen höheren GdB als 40 mehr bedingt hätten. Die Beeinträchtigung der Klägerin durch den Verlust der linken Brust nach Mamma-Karzinom und komplikationslos abgelaufener Heilungsbewährung bedinge einen Einzel-GdB in Höhe von 30. Die Kammer schließe sich insoweit der Einschätzung des Gutachters Dr. W. an. Die Klägerin habe Schmerzen ursprünglich im rechten, zum Untersuchungszeitpunkt durch den Gutachter dann auch im linken Arm geklagt. Diese seien, wie Dr. W. habe feststellen können, Ausdruck einer Bursitis calcarea der Schulter und seien in der am oberen Rand der GdB-Bewertung für die Beeinträchtigung an der Brust erfolgten Einordnung des Einzel-GdB bereits berücksichtigt. Die psychische Beeinträchtigung der Klägerin bedinge ebenfalls einen Einzel-GdB von 30, wie von Dr. W. ausgeführt. Die Einschätzung des Gutachters in seiner ergänzenden Stellungnahme, zwischenzeitlich liege bei der Klägerin ein voll ausgefüllter GdB von 30 für die psychische Beeinträchtigung vor, müsse dabei außer Betracht bleiben. Da es sich um eine Anfechtungsklage handele, sei entscheidungserheblicher Zeitpunkt der der letzten Behördenentscheidung, mithin das Wirksamwerden des Widerspruchsbescheids. Später eingetretene Veränderungen könnten im vorliegenden Verfahren nicht mehr berücksichtigt werden. Die Kopfschmerzen der Klägerin seien mit einem Einzel-GdB von 10 ausreichend bewertet. Die Beeinträchtigungen der Klägerin an den oberen Extremitäten seien mit einem Einzel-GdB von 10 ebenfalls ausreichend bewertet. Bei der Klägerin sei ein Fingergelenksverschleiß in Form von Heberden-Arthrosen gutachterlich festgestellt worden. Diese Einschränkung sei vom Gutachter zutreffend und nachvollziehbar mit einem GdB von 10 bewertet worden, da sie den Beeinträchtigungen für die Finger, die in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen mit einem GdB von 10 bewertet würden, vergleichbar seien. Eine Höherbewertung der Beeinträchtigung komme hingegen nicht in Betracht, da sie mit dem Verlust zweier Finger, der vollständigen Versteifung beider Daumengelenke und des Mittelhand-Wurzelgelenks in günstiger Stellung oder dem Verlust eines Daumens nicht vergleichbar sei. Im Bereich der Schultergelenke leide die Klägerin unter einem Schultergelenksverschleiß. Nach den bei der Untersuchung durch den Gutachter getroffenen Feststellungen habe sich ein gutes funktionelles Ergebnis nachweisen lassen. Einschränkungen der Bewegungsgradienten in den Schultergelenken seien bei der gutachterlichen Untersuchung nicht feststellbar gewesen. Eine Beeinträchtigung im Schulterbereich, die mit den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen mit einem GdB von 20 bewerteten Einschränkungen im Bereich der Schulter vergleichbar wäre, habe nicht objektiviert werden können, so dass der GdB von 10 auch für diese Beeinträchtigung zutreffend gewählt sei. Weitere Beeinträchtigungen mit GdB-Relevanz lägen bei der Klägerin nicht vor. Zwar seien degenerative Veränderungen der unteren Extremitäten in Form einer Coxalgie und einer leichten Hüftgelenksdysplasie vorgetragen worden. Funktional habe der Sachverständige bei der ambulanten Untersuchung jedoch keine Einschränkungen feststellen können, so dass er diese unterhalb eines GdB von 10 eingeordnet habe. Soweit nach der Begutachtung von der Klägerin geltend gemacht worden sei, dass ihr am 06.05.2022 – also ebenfalls nach der Begutachtung – beide Eierstöcke operativ entfernt worden seien und sie seither unter einem Hormonverlust leide, müsse dies unter Verweis auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt außer Betracht bleiben. Weitere vorgetragene Einschränkungen wie beispielsweise der Fersensporn hätten sich nicht objektivieren lassen. Aus dem nach alledem zu berücksichtigenden Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem „Psyche“ sowie einem weiteren Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem „Weibliche Geschlechtsorgane“ und zusätzlich zwei Einzel-GdB von jeweils 10 für die Funktionssysteme „Kopf und Gesicht“ sowie „Obere Extremitäten“ sei für den entscheidungserheblichen Zeitpunkt ein Gesamt-GdB zu bilden. Dieser betrage hier 40. Auszugehen sei von dem höchsten EinzelGdB bei der Klägerin, also von einem Einzel-GdB von 30 für die Beeinträchtigungen im Bereich der weiblichen Geschlechtsorgane. Dieser werde von einem nicht ganz ausgefüllten Einzel-GdB in Höhe von 30 für die psychische Beeinträchtigung entsprechend der Ausführungen des Gutachters Dr. W. auf einen GdB von 40 erhöht. Mit einem Gesamt-GdB von 40 seien die Beeinträchtigungen der Klägerin aber auch vollständig abgebildet. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beeinträchtigungen derart gegenseitig verstärkten, dass ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden wäre, lägen nicht vor. Zum einen sei dem Sachverständigen dahingehend zu folgen, dass der GdB 30 für die psychische Beeinträchtigung zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht ganz ausgefüllt gewesen sei. Zum anderen habe ein Nachweis, dass die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen der Klägerin ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer beeinträchtige wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung, nicht geführt werden können. Im Zeitraum bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens im März 2021 sei es auch nicht zu einer weiteren wesentlichen Veränderung (Verschlimmerung /Verbesserung) gekommen, die vom Beklagten noch hätte mitberücksichtigt werden müssen. Die Klägerin sei vor der Herabsetzung angehört worden (Schreiben vom 04.05.2020) und der Beklagte habe die maßgeblichen Fristen eingehalten. Die angefochtenen Bescheide seien auch ausreichend begründet. Zum einen ergebe sich aus den Bescheiden durchaus, warum der Beklagte nunmehr von einem niedrigeren GdB ausgehe. Hinsichtlich der Herabsetzung des GdB enthielten die Bescheide die im Einzelnen berücksichtigten Gesundheitsstörungen nebst der hierfür angesetzten Einzel-GdB. Bei diesen Einzel-GdB handele es sich um die wesentlichen Begründungselemente für die vorliegend angefochtene Entscheidung. Schon aus der Aufzählung der Einzel-GdB ergebe sich für die Klägerin im Vergleich zu den früheren Bescheiden konkret, welche Besserung der Beklagte seiner Herabsetzungsentscheidung zu Grunde gelegt habe. Herabsetzungsbescheide seien auch nicht bereits wegen Unbestimmtheit rechtswidrig, wenn für den Beginn der Herabsetzung kein kalendermäßig bestimmtes Datum genannt werde und stattdessen die Herabsetzung (wie vorliegend in dem von der Klägerin angefochtenen Bescheid vom 07.08.2020) mit Wirkung „ab Bekanntgabe“ des Bescheides wirksam sein solle.
Am 19.09.2023 hat die Klägerin gegen das ihr am 21.08.2023 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
Sie hat vorgetragen, tatsächlich liege bei ihr weiterhin ein GdB von 50 vor. Wie bereits beim SG angegeben, habe sie infolge eines Arbeitsplatzkonfliktes Ende 2022 einen Nervenzusammenbruch erlitten. Hiervon habe sie sich nie richtig erholt. Sie sei mehrfach aus psychischen Gründen arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Sie leide unter einer anhaltenden depressiven Episode, Ängsten, starken Konzentrationsstörungen sowie Ein- und Durchschlafstörungen. Sie müsse regelmäßig ein Medikament aus der Gruppe der Psychopharmaka einnehmen. Trotz der Medikamenteneinnahme habe sich ihr psychischer Zustand in den vergangenen Monaten aber eher noch weiter verschlimmert. Wegen der ausgeprägten depressiven Störungen sei mittlerweile ein Einzel-GdB von mindestens 40 zutreffend. Sie rege die Einholung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens an.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25.07.2023 sowie den Bescheid des Beklagten vom 07.08.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2021 in der Fassung des Teil-Anerkenntnisses vom 01.10.2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt sei bei der vorliegenden Anfechtungsklage, wie im Urteil des SG vom 25.07.2023 zutreffend dargelegt, der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Mithin seien die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2021 vorgelegen hätten. Eine weitere nervenärztliche Begutachtung würde hier zu keinem anderen Ergebnis führen. Es sei eine Verschlimmerung des psychischen Gesundheitszustandes der Klägerin ab Ende November 2022 und damit weit nach dem hier relevanten Beurteilungszeitpunkt geltend gemacht worden. Ob mittlerweile eine schwerergradige psychische Störung vorliege, die einen höheren Einzel-GdB als 30 begründen könnte, sei durch einen Änderungsantrag geltend zu machen.
Bezüglich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Die zulässige (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG), insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 07.08.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2021 in der Fassung des Teil-Anerkenntnisses vom 01.10.2021, mit dem der Beklagte mit Wirkung ab Bekanntgabe des Bescheids vom 07.08.2020, hier also ab dem 13.08.2020, den GdB von 50 auf 40 herabgesetzt hat.
Zu Recht hat das SG die dagegen erhobene isolierte Anfechtungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG) abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom
07.08.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2021 ist formell (mit Schreiben vom 04.05.2020 ist insbesondere die nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderliche Anhörung zu der beabsichtigten Herabsetzung des GdB mit Wirkung für die Zukunft erfolgt) und materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat den GdB mit Wirkung ab Bekanntgabe des Bescheids zu Recht von 50 auf 40 herabgesetzt; im Gesundheitszustand der Klägerin ist eine wesentliche Besserung eingetreten, die die Herabsetzung des GdB rechtfertigt.
Die Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des GdB befindet sich in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung der bereits festgestellten Behinderung eine Herabstufung oder Erhöhung des Gesamt-GdB um mindestens 10 ergibt, nicht jedoch bereits wegen der Veränderung eines Einzel-GdB beim Vorliegen mehrerer Teil-Behinderungen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich der für die angegriffene Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt der früheren Entscheidung ermittelt werden. Randnummer37 Maßgeblich für den früheren Behinderungszustand ist die dem zuletzt verbindlich festgestellten Bescheid vom 31.07.2014 (als letzter Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gemäß § 48 SGB X) objektiv zu Grunde liegende Sachlage. Dem so bestimmten früheren Behinderungszustand sind die für die angegriffene Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse gegenüberzustellen. Dabei bestimmt sich die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, der den GdB herabsetzt und der selbst kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, sondern in seiner Wirkung auf die Veränderung der Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt beschränkt ist, nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. Bundessozialgericht - BSG, Urteile vom 15.08.1996 - 9 RVs 10/94, juris, Rn. 11, vom 12.02.1997 - 9 RVs 12/95, juris, Rn. 12 und vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96, juris, Rn. 11). Im Schwerbehindertenrecht ist es auch deshalb geboten, bei der Beurteilung einer isolierten Anfechtungsklage gegen einen Entziehungsbescheid nach § 48 SGB X die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens zugrunde zu legen, weil anders behauptete oder während des Gerichtsverfahrens tatsächlich eingetretene Änderungen in den gesundheitlichen Verhältnissen des Behinderten zu immer neuen Ermittlungen (vgl. § 103 SGG) Anlass gäben und den Abschluss des Gerichtsverfahrens in zahlreichen Fällen erheblich verzögern würden; dies wäre aus prozessökonomischen Gründen bedenklich, würde oft zu einer Unübersichtlichkeit des Prozessstoffs führen und brächte auch für die Versorgungsverwaltung unvertretbare Nachteile mit sich (BSG, Urteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95, juris, Rn. 16). Abzustellen für die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist in der Regel auf den Zeitpunkt bei Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (vgl. § 95 SGG; s.a. BSG, Urteile vom 15.08.1996, a.a.O., vom 10.09.1997, a.a.O., vom 10.12.2003 - B 9 SB 4/02 R, juris, Rn. 13).
Dies zugrunde legend hat der Beklagte, wie das SG im Urteil vom 25.07.2023 zutreffend ausgeführt hat, zu Recht den Bescheid vom 31.07.2014 mit Wirkung ab Bekanntgabe des Bescheids vom 07.08.2020 abgeändert, denn in der Zeit zwischen Erlass des Feststellungsbescheids vom 31.07.2014 und dem Widerspruchbescheid vom 31.03.2021 ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen durch den Ablauf einer Heilungsbewährung eingetreten, die nicht mehr den mit Bescheid vom 31.07.2014 festgestellten Gesamt-GdB von 50, sondern ab Bekanntgabe des Bescheids vom 07.08.2020 nur noch einen Gesamt-GdB von 40 rechtfertigt.
Für die Feststellung des GdB anhand der noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (hier der Widerspruchsbescheid vom 31.03.2021) ist das Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung maßgebend. Randnummer40 Gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1 (§ 152 Abs. 4 SGB IX).
Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14.01.2015 geltenden Fassung (aF) gelten bei der Feststellung des GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Damit wird auf die auf Grund des § 30 Abs. 17 (später Abs. 16) BVG mit Wirkung ab 01.01.2009 erlassene Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (VersMedV) Bezug genommen; da der Gesetzgeber von der Ermächtigung in § 153 Abs. 2 SGB IX noch keinen Gebrauch gemacht hat, verbleibt es bis zum Erlass einer solchen neuen Rechtsverordnung bei der bisherigen Rechtslage, d.h. bei der Anwendbarkeit der Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung (vgl. § 241 Abs. 5 SGB IX; siehe dazu auch BSG, Urteil vom 11.08.2015 - B 9 SB 1/14 R, juris, Rn. 16).
Nach § 30 Abs. 1 BVG i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX aF ist der GdB nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen, wobei der GdB nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen ist und ein bis zu fünf Grad geringerer Grad vom höheren Zehnergrad mit umfasst wird. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten (§ 30 Abs. 1 Satz 3 BVG).
Aufgrund der ab dem 01.01.2009 geltenden VersMedV sind u.a. die Grundsätze für die medizinische Bewertung von „Schädigungsfolgen“ und die Feststellung des „Grades der Schädigungsfolgen“ im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG geregelt (§ 1 VersMedV) – übertragen auf das SGB IX: die medizinische Bewertung der Behinderungen und die Feststellung des GdB. Die in § 1 VersMedV genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage (Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ - AnlVersMedV) zu dieser Verordnung als deren Bestandteil festgelegt; die Anlage wird auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellt und fortentwickelt (vgl. § 2 VersMedV).
Nach der Rechtsprechung des BSG ist davon auszugehen, dass die VersMedV als verbindliche Rechtsquelle grundsätzlich den Maßstab angibt, nach dem der GdB einzuschätzen ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R, juris). Zweifel am Inhalt der AnlVersMedV, der durch besondere, vor allem medizinische Sachkunde bestimmt ist, sind vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin bzw. bei dem für diesen geschäftsführend tätigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales (§ 3 VersMedV) zu klären (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Im Übrigen ist die VersMedV auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 152 SGB IX - zu überprüfen, in dessen Lichte sie auszulegen sind; bei nach entsprechender Auslegung verbleibenden Verstößen gegen § 152 SGB IX ist die VersMedV nicht anzuwenden (so zu § 69 SGB IX aF: BSG, a.a.O, m.w.N.).
Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen, im Sinne von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichenden Körper- und Gesundheitszustand (vgl. § 2 Abs. 1 SGB IX), und die sich daraus ableitenden, in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft länger als 6 Monate hindernden Umstände festgestellt (vgl. dazu – noch zur alten Rechtslage – BSG, a.a.O., Rn. 25). In einem zweiten Schritt sind diese – soweit möglich – den in der AnlVersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 25); eine Addition einzelner Werte ist nicht zulässig (vgl. Teil A Nr. 3 lit. c AnlVersMedV). In einem dritten Schritt ist dann - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl. Teil A Nr. 3 lit. c AnlVersMedV) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 25). Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG, a.a.O., Rn. 25; siehe auch Teil A Nr. 3 lit. d AnlVersMedV). Von Ausnahmefällen (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen; auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 lit. d, ee AnlVersMedV). Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der AnlVersMedV feste GdB/MdE-Werte bzw. feste GdS-Werte angegeben sind (vgl. Teil A Nr. 3 lit. b AnlVersMedV; vgl. BSG, a.a.O., Rn. 25).
In Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze hat das SG mit ausführlicher Begründung und zutreffend festgestellt, dass vorliegend eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne einer Besserung eingetreten ist, die eine Herabsetzung des Gesamt-GdB von 50 auf 40 gerechtfertigt hat. Dabei hat das SG die Rechtslage zutreffend dargelegt, hat die Angaben der behandelnden Ärzte der Klägerin in den beigezogenen ärztlichen Unterlagen und Berichten und die auch für den Senat überzeugende und nachvollziehbar begründete Einschätzung des Sachverständigen Dr. W. im Gutachten vom 09.03.2022 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 12.03.2023 berücksichtigt und ist mit zutreffender Argumentation auf die Einwände der Klägerin eingegangen. Zur Vermeidung von Wiederholung wird daher auf die Ausführungen des SG im Urteil vom 25.07.2023 Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG), mit folgenden Ergänzungen:
Für den Verlust der linken Brust mit den daraus folgenden Beschwerden im Schultergelenksbereich ist - höchstens - ein GdB von 30 anzusetzen. Diese Einschätzung des Einzel-GdB liegt bereits am oberen Rand des Bewertungsrahmens nach Nr. 14.1 AnlVersMedV (GdB bei einseitigem Verlust der Brust mit erfolgter Aufbauplastik 10-30), so dass bei nur geringen Funktionseinschränkungen im Schulterbereich (bei Dr. W. waren freie Bewegungsmaße zu messen) und fehlenden sonstigen verbliebenen Operations- und Behandlungsfolgen eine höhere Einschätzung des GdB als mit 30, wie von der Klägerin geltend gemacht, keinesfalls zu erfolgen hat.
Den Einzel-GdB für den Bereich der Psyche hat Dr. W. nachvollziehbar mit 30 eingeschätzt. Dies entspricht einer Bewertung als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nach Nr. 3.7 AnlVersMedV, wobei nach den Untersuchungsbefunden des Sachverständigen schon diese Einschätzung ebenfalls eher großzügig ist. Dr. W. hat im Gutachten zum psychischen Befund ausgeführt, die Psychomotorik sei ruhig und die Mimik normal gewesen. Quantitative Bewusstseinseinschränkungen oder qualitative Bewusstseinsveränderungen hätten ebenso wenig bestanden wie Wahrnehmungsstörungen oder Sinnestäuschungen. Es bestünden keine Ich-Störungen, keine Zwänge, keine Phobien, keine konkretisierten Befürchtungen. Eine psychische Belastung habe wegen der (damals) anstehenden Entfernung der Eierstöcke bestanden. Die Grundstimmung während der Begutachtung sei ausgewogen und die Affektivität normal adäquat gewesen. An körperlich vegetativen Störungen sei eine Verkürzung der Schlafdauer bei Schichtarbeit von 17.00 Uhr bis 2.00 Uhr angegeben worden. Es bestehe eine Appetitsteigerung. Die Klägerin habe in den letzten 4 Jahren 15 kg Körpergewicht zugenommen. An depressiven Symptomen sei eine vermehrte Ermüdbarkeit benannt worden. An Angstsymptomen sei eine Besorgtheit benannt worden. Störungen des Sozialverhaltens hätten nicht bestanden. Dr. W. gab an, es hätten ein ungestörtes semantisches und episodisches Gedächtnis, normale basale Aufmerksamkeitsfunktionen und eine normale selektive Aufmerksamkeit bestanden. Während der Begutachtung habe auch keine Störung der Daueraufmerksamkeit und keine Störung des Erkennens oder der Auffassung festgestellt werden können. Es sei eine normale kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit festzustellen gewesen. Als Störung der exekutiven Funktionen habe sich eine verminderte Umstellungsfähigkeit gezeigt. Bei der testpsychologischen Untersuchung zeigten sich bei der Klägerin keine bis leicht ausgeprägte Beeinträchtigungen. Diesen Befunden entsprechend hat der Sachverständige zusammengefasst, dass im Rahmen der aktuellen Begutachtung bei der – weiterhin beruflich tätigen – Klägerin keine höhergradige depressiven Störungen festgestellt werden konnten, so dass er den GdB für den Bereich der Psyche mit (höchstens) 30 angab.
Für die – im Rahmen der Begutachtung von der Klägerin nicht einmal erwähnten – Kopfschmerzen wurde – dies wurde von der Klägerin selber als zutreffend erachtet – zu Recht ein Einzel-GdB von 10 und für den Bereich der oberen Extremitäten, aufgrund der Arthrosen in den Fingergelenken und der Beschwerden in den Schultergelenken aufgrund degenerativer Veränderungen, ebenfalls ein Einzel-GdB von 10 angesetzt. Eine höhere Bewertung kommt aufgrund der sehr geringen festzustellenden Bewegungseinschränkungen nicht in Betracht, wie Dr. W. angenommen hat und vom SG im Einzelnen ausgeführt. Gleiches gilt für die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen. Im Bereich der unteren Extremitäten liegen, wie von Dr. W. nachvollziehbar festgestellt wurde, keine Einschränkungen vor, die einen GdB von mindestens 10 begründen könnten. So war das Gangbild bei der Untersuchung altersphysiologisch. Die Klägerin konnte über 50 Minuten am Stück sitzen ohne Schmerzen zu beklagen oder diese mimisch zu vermitteln. Der Krümmungsverlauf der Wirbelsäule war physiologisch, der Finger-Boden-Abstand betrug 10 cm. Die Dehnungszeichen nach Lasegue waren beidseits negativ. Die Klägerin konnte vollständig in die Hocke gehen und sich aus der Hocke erheben. Zum Ausziehen der Socken im Sitzen konnte die Klägerin beide Oberschenkel bauchwärts beugen. Die Schultergelenksbeweglichkeit der Rechtshänderin war beidseits frei. Ellenbogengelenksbeweglichkeit, Unterarmdrehung und Handgelenksbeweglichkeit waren frei, die Fingergelenksbeweglichkeit war ungestört, auch wenn radiologisch Heberden-Arthrosen im Bereich der Fingerendglieder bestanden. Die Hüftgelenksbeweglichkeit und die Kniegelenksbeweglichkeit stellte sich beidseits frei dar, über den Kniegelenken war kein Erguss festzustellen und bei passiver Bewegung bestand keine Krepitation. Auch die Sprunggelenksbeweglichkeit war beidseits frei, die Zehengelenksbeweglichkeit ungestört. Diesen Angaben des Gutachters lassen sich keine Anhaltspunkte für eine Bewertung des GdB mit mehr als 10 für die oberen Extremitäten bzw. mit mindestens 10 für die unteren Extremitäten entnehmen, wobei darauf zu verweisen ist, dass für die Bewertung des GdB nicht auf den radiologischen Nachweis von degenerativen Veränderungen, sondern allein auf die daraus folgenden Funktionseinschränkungen abzustellen ist. Auch ist nicht entscheidend, inwieweit die Erkrankungen die Klägerin in ihrem konkreten, körperlich belastenden, Beruf im Service eines Hotels beeinträchtigen. Der GdB ist grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen (Teil A Nr. 2 lit. b AnlVersMedV). Entscheidend sind die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen (Teil A Nr. 2 lit. a AnlVersMedV).
Bei zwei Einzel-GdB-Werten von 30 und zwei Einzel-GdB-Werten von 10 ergibt sich, wie vom SG mit zutreffender Begründung ausgeführt, bei einer Gesamtbetrachtung der Einschränkungen unter Einbeziehung der gegenseitigen Wechselwirkungen der Klägerin ein Gesamt-GdB von 40, entsprechend der Einschätzung des Gutachters Dr. W..
Klarstellend weist der Senat noch darauf hin, dass die Begutachtung nach dem Schwerbehindertenrecht eine Funktionsbegutachtung ist, d.h. es kommt auf die durch die gesundheitlichen Einschränkungen entstehenden Funktionsbeeinträchtigungen und nicht auf die Stellung bestimmter Diagnosen an (s.a. Teil A Nr. 2 lit. a AnlVersMedV). Vom Gericht ist daher weder eine andere Bezeichnung der anerkannten einzelnen Behinderungsleiden noch eine Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen auszusprechen. Denn die Änderung einer Behinderungsbezeichnung, die Veränderung eines Einzel-GdB beim Vorliegen mehrerer Teil-Behinderungen oder das Hinzutreten weiterer Teil-Behinderungen ohne Auswirkungen auf die Höhe des Gesamt-GdB hat keine rechtlichen Folgen. Die lediglich verwaltungsintern ermittelten Einzel-GdB-Werte sind zwar notwendige, aber nicht unmittelbare Rechtswirkung nach außen entfaltende Einzelelemente des allein anfechtbaren Gesamt-GdB. Denn im final ausgerichteten Schwerbehindertenrecht ist es gleichgültig, worauf ein regelwidriger Gesundheitszustand beruht, und die „Feststellung“ der daraus erwachsenden Behinderung hätte keine rechtlichen Folgen. Rechtsfolgen hat allein die Entscheidung der Verwaltung über den Gesamt-GdB (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R, juris, Rn. 16; BSG, Beschluss vom 01.06.2015 - B 9 SB 10/15 B, juris, Rn. 8).
Aus den Kritikpunkten der Klägerin im Berufungsverfahren ergeben sich weder Anhaltspunkte für einen höheren GdB bei der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids noch das Erfordernis weiterer Ermittlungen. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich bei der Klägerin zwischenzeitlich eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ergeben hat, denn jedenfalls wäre diese Verschlimmerung (psychische Belastung wegen Arbeitsplatzkonflikt Ende 2022; operative Entfernung der Eierstöcke im Mai 2022 mit anschließender Störung des Hormonhaushaltes) erst nach der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2021 im April 2021 eingetreten und wäre daher, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat und wie schon das SG im Urteil vom 25.07.2023 ausführlich dargelegt hat, im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage nicht zu berücksichtigen. Es obliegt der Klägerin, eine eingetretene Verschlechterung durch Stellung eines Verschlimmerungsantrags beim Beklagten geltend zu machen. Eine Einbeziehung in das vorliegende Berufungsverfahren hat demgegenüber nicht zu erfolgen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 25.07.2023 ist daher zurückzuweisen.